Mit dem Hungertuch von Sieger Köder durch die Fastenzeit 2020
Bedeutung der Hungertücher
Hungertücher haben eine etwa tausendjährige Tradition innerhalb der katholischen Kirche und haben einen vielfältigen Wandel durchgemacht. Ursprünglich wurde der ganze Altar mit den Tüchern verdeckt, sodass man die Messe nur noch hören konnte, sozusagen ein Fasten für die Augen.
Bald wurden diese schmucklosen Tücher reichhaltig mit Bildern aus der Bibel versehen und bekamen dadurch eine erzählerische Funktion. Es versinnbildlicht den Vorhang des Tempels, der bei der Passion Christi mitten entzweiriss.
Viele Gründe führten dazu, dass nach der Reformation viele Hungertücher aus den Kirchen verschwanden. Das Hilfswerk Misereor hat 1976 den vergessenen Brauch wiederaufleben lassen. Es soll uns bewusstwerden, dass Entwicklungshilfe nicht eine Einbahnstraße ist, sondern dass die Menschen auf der anderen Seite der Welt viel zu geben haben und so dem Einzelnen ins Gewissen reden diesen Teil der Welt nicht zu verdrängen. Das Thema des diesjährigen Hungertuches heißt: Hoffnung den Ausgegrenzten
1. Fastenssonntag
Wir sehen die Arche inmitten einer tödlichen Flut. Ein sinkender Tanker entlässt seine giftige Fracht; der schillernde Ölfilm verklebt das Gefieder des sterbenden Kormorans.
In dem grünlich schimmernden Wasser, einer Kloake ähnlich, liegen Symbole der Vernichtung: Panzerfäuste, Minen, Stahlhelme, Totenschädel, aufgerissene Dosen, Fischgerippe.
Die Arche erhebt sich nur wenig über diesem Wasser. Sie gleicht eher einer brüchigen Slumhütte als einem schwimmfähigen Rettungsboot.
Aus dem geöffneten Fenster lugen nicht nur Noach, sondern auch Repräsentanten der Weltbevölkerung. Sie erwarten die große weiße Taube mit dem Ölzweig im Schnabel.
Der weit ausgestreckte Arm des Schwarzhäutigen demonstriert, wie sehr der Mensch sich selbst durch seinen Raubbau an der Erde, seinem Egoismus und seiner Misswirtschaft, schlimme Wunden zufügt.
Und wenn die Arche auf felsigem Grund ruht, dann bleibt die Frage offen, ob es für die Menschen und die Tier- und Pflanzenwelt noch eine lebenswerte Zukunft geben kann.
In dieser fast aussichtslosen Weltsituation setzt das Hungertuch einen riesigen, machtvollen Regenbogen entgegen, der fast den ganzen Himmel überdeckt.
Er ruft mit aller Kraft die Erinnerung an den Regenbogen des Schöpfergottes wach, der beim Bundesschluss mit Noah versprochen hat, die Erde nicht ein weiteres Mal zu vernichten.
Der Bogen, die Lebenszusage Gottes, wölbt sich nicht nur am Himmel, sondern färbt schon das Dach der Arche und streichelt liebevoll über die verletzte Hand, die sich der Taube entgegenstreckt.
Das Spektrum seiner Farben spiegelt sich wider im schmutzig-öligen Wasser. Der Bogen, den Gott in die Wolken gesetzt hat, ist Warnung für den Menschen und zugleich Hoffnung. Menschen, die die Erde als Lebenshaus zerstören, verfehlen ihr Menschsein. Die Schöpfungsgarantie Gottes ist kein Freibrief für die ökologische Tötungskultur. Das Überleben der Menschheit ist nur gemeinsam möglich.
Vielleicht wird uns erst jetzt mit Erschrecken klar wie radikal der Künstler des Hungertuches eine Sintflut, und zwar die unser heutiger Welt, gemalt hat.
Hier geht es weiter zur Betrachtung vom 2. Fastensonntag.